Nö regrets! Was ich von Lemmy (Motörhead) über Fehler lernte

In der großartigen Doku „Lemmy – the Movie“ gibt es eine Stelle kurz vor den Credits, die mich nachhaltig beeindruckt hat. Lem sitzt backstage in Moskau an seinem einarmigen Banditen. Eine rauchende Zigarette in der Hand, ein Drink auf dem Tisch. Kurz vorher hat er sichtlich abgefuckt mehrere Oligarchen-Hände geschüttelt, für die ein Selfie mit dem Musiker offensichtlich nichts weiter als ein Accessoire darstellt. 

Dann sagt Lemmy folgendes:
And this is what I am.
This is what I do. 
This is what I’m supposed to do. 
Right here.
I’m supposed to be backstage, waiting to go on, you know?

Eine Stimme aus dem Off fragt: „Any regrets?“ Ohne zu zögern antwortet er mit einem Satz, der mir ins Mark und Bein ging und immer noch Gänsehaut verursacht, wenn ich daran denke.

 „No. Life’s too short.“ 

Danach schaut er lange und intensiv in die Kamera. Sein Blick ist fast schon traurig wie der eines müden Hundes. In diesem Moment habe ich die Tiefsinnigkeit dieser einfachen Aussage vermutlich zum ersten Mal in meinem Leben verstanden. Dieser Mann, der alles gesehen und erlebt hat, ist immer noch da und macht genau das, was ihn ausmacht. Sein Leben reicht für zehn Leben und doch blickt er nicht zurück. Viele seiner Weggefährt*innen gingen auf diesem Weg zugrunde, viele Möglichkeiten blieben ihm aufgrund seines Lebensstils verwehrt. Und doch – nö regrets. 

Fehler formen

Ich selbst bin mein größter Fan UND mein größter Kritiker. Es liegt in meiner Natur, Dinge zu zerdenken. Mir um viele Dinge Sorgen zu machen. Und natürlich habe ich eine Menge Fehler gemacht. Ich habe Möglichkeiten ungenutzt gelassen, falsche Entscheidungen getroffen, mir nahestehenden Menschen wehgetan. Ich war verletzt und habe verletzt. Und darin unterscheide ich mich vermutlich durch nichts von jedem anderen Menschen auf dieser Welt. Die Frage ist jedoch – was machen wir aus unseren Erfahrungen?

Lemmys Aussage hat mir dabei geholfen, Dinge loszulassen. Ich verstehe, dass ich nur durch die Summe aller meiner vergangenen Entscheidungen und Taten die Person bin, die heute diese Zeilen schreibt. Das Gute und das Schlechte – es war beides wichtig, um dahin zu kommen, wo ich heute bin. Und so geht es uns allen. Natürlich bereut man Dinge. Manchmal sogar sehr. Und doch kommt es niemals wirklich auf unsere Fehler an. Das Einzige, was Reue sein sollte, ist eine Warnung: Wiederhole deine Fehler nicht! Und doch: Fehler sind essenziell. Wer aus ihnen lernt – wächst. 

In Deutschland herrscht eine katastrophale Fehlerkultur vor. Ob als Unternehmer*in, Sportler*in oder Sonstiges – Fehler aus der Vergangenheit werden als Makel empfunden und hängen einem ewig nach. Offenbar traut man niemandem zu, aus den eigenen Fehlentscheidungen sinnige Schlüsse zu ziehen. Das ist absurd. Profi sein bedeutet auch, Tausende Fehler gemacht zu haben. Tausendfach nicht den ersten Platz zu bekommen, tausendfach die falschen Töne zu spielen und tausendfach die festgesetzten Ziele nicht zu erreichen. Ohne das Scheitern gibt es keinen Erfolg.

Vor vielen Jahren fuhr ich in einem Motörhead-Shirt und Motörhead hörend auf meinem Fahrrad, als sich mein Vorderrad löste. Ich prallte heftig gegen meine rechte Schulter und brach mir das Schlüsselbein in zwei Stellen. Als die Narbe verheilt war, ließ ich mir während meines Besuchs in Kiew „Nö regrets“ in der Motörhead-Schrift über die Narbe tätowieren. Seitdem warte ich meine Räder besser. 

Ich glaube, Lemmy fände das witzig. Rest in Peace. 

Tattoo unter dem Schlüsselbein mit dem Schriftzug "Nö Regrets" in der Schrift von Motörhead

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